»25.11.2008 Ärmelkanal 51°04’N; 01°30'E 1055 UTC +0«
Die erste Nacht war haarig, dass Geschaukel der Nordsee und das angerichtete Unheil in meiner Kabine ließen auch mich als Langschläfer doch recht früh aufstehen. Zumindest gabs dann für mich Frühstück, was im weiteren Verlauf der Reise nicht selbstverständlich war. Nachdem die Scherben in der Offiziersmesse weggeräumt waren, ich meinen Kaffee mit Toast zu mir genommen habe und die ersten Kontakte mit den restlichen Passagieren und der Crew geknüpft hatte, drückte ich mich verstohlen auf die Brücke. An Bord waren auch schon die Schiffs-Offiziere von Rickmers, welche das Schiff in Genua übernehmen sollen. Die restliche Crew wird erst in Genua erwartet.
Der Alltagsstress und das damit verbundene Tempo sein Leben zu bestreiten war natürlich noch voll präsent. Ich versuchte mich ein wenig zu beruhigen und trabte so auf dem Außendeck umher und genoss den anbrechenden Tag. Ein großes Abenteuer hat nun also endlich begonnen und ich freute mich Richtung Süden zu fahren und hoffentlich bald in eine wärmere Gegend zu kommen. Ich blickte erwartungsvoll in Richtung Osten, wo bald die Küste Spaniens in Sicht kommen sollte. Die Zeit verrann und mit ihr meine Gedanken. Ich bemerkte auf der anderen Schiffsseite einen anderen Passagier wie er, offensichtlich genau so verträumt, in die entgegengesetzte Richtung blickte. Er hatte sich die bessere Seite herausgesucht, statt nur Wasser auf das ich blickte, hatte er seinen Blick auf eine Insel gerichtet, ich gesellte mich also zu ihm. »Was ist das für eine Insel« fragte ich ihn und er blickte mich verwundert an und sagte »Das ist England, dass sind die Kreidefelsen von Dover«.
England, Dover, Kreidefelsen? Das liegt alles nördlich der von mir vermuteten Position, sehr viel weiter nördlich. Für meine "Tagesablaufgeschwindigkeit" bewegten wir uns geradezu im Schneckentempo vorwärts. Ich war entsetzt, ich hatte mir das etwas schneller vorgestellt. Ich erinnerte mich selbst wieder an meine Motive für genau diese Art von Reise und fand mich auch schnell damit ab, dass ich am ersten Tag weit weniger Strecke zurückgelegt habe, als man mit dem Auto fährt und doch noch über 40.000km vor sich hat. So war man doch ein wenig schwermütig, dachte an die Freunde zu Hause und daran, wie lange man sie nicht mehr sehen wird. Dieses Erlebnis war ein Vorgeschmack auf die notwendige Geduld, die man für so eine Reise braucht und die ich auch erfahren und lernen wollte.
»When you go with this speed of living, with 9.000 Miles per hour, you cannot stop in a minute« hat die isländische Popsängerin Björk mal in einem Interview gesagt, nachdem sie in Bangkok am Flughafen eine Journalistin verprügelt hatte. Da hat sie wohl recht damit…
~~DISCUSSION:off~~