Die Internetplattform WikiLeaks veröffentlicht ein bislang unter Verschluss gehaltenes Video der US-Streitkräfte mit dem Titel "Collateral Murder"1), welches auf schockierende Art und Weise zeigt, wie routiniert US-Soldaten Menschen töten. Das ganze scheint wie aus einem Videospiel zu sein und die Kommentare der Schützen dürfte ein ähnliches Niveau haben, wie derjenigen, die zu Hause im Wohnzimmer am Computer ihr eigenes Ego shooten. Ein Soldat bettelt seinen Vorgesetzten förmlich an "let us shoot, let us shoot", ein Anderer oder möglicherweise der Selbe quittiert die tödlichen Salven aus dem Apache Kampfhubschrauber mit einem "look at those dead bastards" und selbst als klar wird, dass sie auch auf zwei Kinder geschossen haben bleibt nur der trockene Kommentar "well it's their fault for bringing kids in to a battle". Dass das US-Militär die Schlacht in die Heimat dieser Kinder gebracht hat, scheint bei den Soldaten mittlerweile in Vergessenheit geraten zu sein.
Am Ende des Videos, welches vom US-Militär als echt bestätigt wurde2), sind mehr als ein Dutzend Menschen tot, darunter auch zwei Reuters Fotografen und die beiden Kinder wurden schwer verletzt. Reuters hat das US Militär lange um Aufklärung zum Tode ihrer Journalisten gedrängt3), dieses Video spricht nun Bände und dokumentiert auf grausame Art und Weise was geschehen ist. Aber bei all dem Entsetzen um den Tod unschuldiger Journalisten blieb bei manchen auch die journalistische Objektivität ein wenig auf der Strecke4). Dieses Video, welches erstmal in einer 17 minütigen Kurzfassung veröffentlicht wurde, hatte ein imposantes mediales Echo. Die Gruppe der Männer sei unbewaffnet und unschuldig schrieben viele Nachrichtenagenturen. Bei genauerer Analyse der veröffentlichten Artikel wurde auch deutlich, dass viele einfach nur voneinander abgeschrieben haben und sich nicht mal die Mühe gemacht haben, das Video genau zu studieren, geschweige denn, den von ihnen veröffentlichten Inhalt zu überprüfen.
Immerhin hat auch WikiLeaks nun auch das ungekürzte Video veröffentlicht, denn hier ist deutlicher zu sehen, dass die Gruppe Männer definitiv nicht gänzlich unbewaffnet gewesen ist. Einer der Männer trägt ein AK-47 Sturmgewähr bei sich, ein anderer eine Panzerfaust. In der Schlüsselszene sieht man dann einen Mann sich um eine Hausecke lehnen, was von der Hubschrauberbesatzung als Kampfstellung beurteilt wurde und daraufhin die Tötung der Gruppe veranlasst wurde. Im Nachhinein lässt sich dabei deutlich erkennen, dass es sich dabei um einen Fotografen und bei der Waffe es sich um eine Kamera gehandelt hat. Ich finde das Video grausam genug und es bräuchte keine Aufreisser Schlagzeilen auf Bild-Zeitungsniveau. Es ist wahr, dass das US-Militär auch auf Unbewaffnete geschossen hat und eine aufmerksame Hubschrauber Besatzung hätte sich auch auf die gezielte Tötung der beiden bewaffneten Männer beschränken können, anstatt in Wild-West-Manier auf alles zu ballern was sich bewegt. Aber es ist nicht wahr, dass eine Gruppe unbewaffneter Zivilisten niedergemetzelt wurde.
Wirklich schlimm ist bei diesem Video jedoch auch, dass sich hier vermutlich nur der irakische Alltag widerspiegelt. Ein Vorfall wie er sich möglicherweise jeden Tag ereignet. Festgehalten auf Video und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, erinnert es ein wenig an das Entsetzen der Menschen, die Zuhause in ihren Wohnzimmern den Tsunami im indischen Ozean Weihnachten 2004 miterlebt haben. Wenn man es vor Augen hat, bekommt das was man eh schon oft gehört hat eine andere Bedeutung. Dieses Irak Video hat ähnliches Potential. Man ist live dabei, wie Menschen sterben, darunter auch offensichtlich unschuldige. Das macht betroffen und lässt den ein oder anderen an die von deutschen Soldaten angeordnete Bombadierung zweier Tanklaster in Afganistan denken. Auch dort wurden unschuldige Menschen getötet. Ich möchte mich jetzt nicht in die Reihen derer einordnen, die den sofortigen Abzug der deutschen Truppen aus Afganistan fordern, denn dafür ist es bereits zu spät. Wir hätte nie dorthin gehen dürfen aber jetzt dort abzuziehen würde ein Machtvakuum erzeugen, was vielen weiteren Unschuldigen das Leben kosten würde. Bei den US-Truppen im Irak verhält es sich ähnlich. Goethes Zauberlehrling fällt mir dazu ein: Die Geister die ich rief…
http://www.youtube.com/watch?v=8F6EoMdn95E
Fatfreddy Drop