»They got him…!«



Dead or alive

»Amerika salbt seine Wunden. Mit Osama bin Ladens Tod hoffen die Amerikaner für Gerechtigkeit bei den Hinterbliebenen der mehr als 3.000 Opfer von 911 gesorgt zu haben. Eine Geste der Wiedergutmachung, die wohl den Hinterbliebenen der mehr als 100.000 größtenteils unschuldigen Opfern im Irak verwehrt bleibt. Ob Obama mit diesem »Schachzug« klug gehandelt hat, mag ich jetzt mal in Frage zu stellen. Steht es einem Land zu, welches Kriege im Namen der Demokratie führt, alle völkerrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundelemente einfach so über Bord zu werfen und rein aus Rache einen Mann ohne Gerichtsverfahren zu exekutieren? Was Amerika darf und nicht darf, schert sie schon lange nicht mehr und leider scheint sich das unter Obama nicht wirklich geändert zu haben.«

Ich kann die zugrunde liegende Motivation sogar verstehen aber musste es auf diese Art geschehen? Hätte man das nicht einfach still und leise durchziehen können? Wird unsere Welt jetzt sicherer? Ein paar bornierte Holzköpfe beim Wirt um die Ecke glauben das sogar und stehen damit nicht alleine da. Ich glaube es jedoch nicht. Osama bin Laden war ein Symbol, eine Ikone des Terrors und jetzt ist er auch noch ein Märtyrer, prima was besseres wird ihm nicht passieren können. Was ist schon ein zu Tode gebombt geglaubter Osama, von dem man nicht weiß, lebt er noch oder ist er tot? An diesen Gedanken hat sich die Welt gewöhnt und ich denke, dass war gut so. Sicherlich, ein Gerichtsverfahren wird schwer werden, dazu braucht man Zeugen und Beweise und mit beidem hätte Amerika sich schwer getan. Und dann noch die Frage, wo stellt man ihn vor Gericht? Der internationale Gerichtshof wäre eine dafür geschaffene Instanz aber den erkennt Amerika nicht an. In Amerika hätte sich die Sicherheitslage während der Verhandlung sicherlich dramatisch verschlechtert, egal wo man ihn vor Gericht gestellt hätte. Und ganz nebenbei, hätte dieser Prozess bestimmt auch die ein oder andere Peinlichkeit oder gar weitere Grausamkeiten ans Tageslicht gefördert, welcher sich nicht nur Amerika im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu Schulden kommen lassen hat. Nein, das wollte man verständlicherweise vermeiden. Aber nach was schaut es jetzt aus? Nach einer Exekution ohne Gerichtsverfahren. Das klingt nicht sonderlich rechtsstaatlich oder gar demokratisch.

Das die Welt jetzt sicherer sei, hat man uns schon nach dem Tot von Saddam Hussein gesagt. Zumindest die Iraker werden das wohl nicht bestätigen. Jetzt wird der Terror austrocknen und langsam in sich zusammen fallen, glauben sie. Das war schon bei der RAF so, als sich die Köpfe selbst zu Märtyrer gemacht haben. Stimmt zwar so auch nicht ganz, denn auch nach 1977 begann die RAF Terroranschläge. Ernst Zimmermann, Karl Heinz Beckurts, Gerold von Braunmühl, Alfred Herrhausen und Detlef Karsten Rohwedder sind Opfer der zweiten und angeblich dritten Generation der RAF geworden. Was aber diese beiden Generationen von der ersten unterschied, war eine wesentlich taktischere Ausrichtung. Keine Chaostruppe wie noch Andreas Baader, der nicht mal die Daten seines gefälschten Ausweises kannte oder Inge Vieth, die mit einem geklauten Motorrad ohne Helm durch Paris donnerte und so der Polizei aufgefallen ist. Nein der Vergleich hinkt, die RAF kann man nicht mit Al-Qaida vergleichen. Auch wenn die RAF dann irgendwann mal aufgegeben und sich aufgelöst hat, denke ich nicht, dass das jetzt auch mit Al-Qaida passieren wird.

Vielleicht wird es die nächste Zeit gefährlicher, dass hat man wohl auch bewusst in Kauf genommen. Vielleicht wird es danach auch ruhiger, dass ist ja die große Hoffnung vieler. Aber es wird weiter brodeln, es wird solange weiter brodeln, solange unsere Völkergemeinschaft das ist, was sie jetzt ist. Eine Dreiklassengesellschaft, welche mit Unterdrückung Anderer seinen Wohlstand zu sichern versucht. Das fängt bei der »Geiz ist geil« Mentalität an, was die Kinderarbeit in den Schwellenländern fördert und hört bei der unersättlichen Gier nach Rohstoffen auf. Allen voran Öl, welches einen korrupten, autoritären und menschenverachtenden Staatsapparat in den Ländern fördert, welche diese Gier befriedigen können. Beim Öl ist das nun mal die arabische Welt, in der sich nun ein Flächenbrand ausbreitet und die Wiege des Terrors der Al-Qaida ist. Diese Länder sind unermesslich reich aber das Volk wird arm und dumm gehalten. Wir, die »erste Welt«, unterstützt das und das wird sich rächen.

Die Bedrohung aus der arabischen Welt, ich vermeide jetzt bewusst den Terminus »Islam« in dieser Aussage, ist vermutliche eine Mischung aus ideologischer Verblendung und eben dieser diktatorisch verordneter Armut, welche Menschen wohl zu Gotteskrieger werden lässt. Sicher Osama bin Laden war alles andere als dumm und arm. Er war schlau genug, solange am Leben zu bleiben und die wohl größte Suchaktion in der Geschichte der Menschheit fast zehn Jahre nahezu unbeschadet zu überstehen. Zumindest ist dass das, was man uns jetzt glauben lässt. Aber der Erfolg, wenn man es denn als solchen bezeichnen mag, dieses Such- und Exekutionskommandos wird sicher nicht die vielen selbsternannten Gotteskrieger zur Aufgabe zwingen. Sie sind nur um einen Märtyrer reicher geworden. Ob man damit Al-Qaida das Mastermind geraubt hat? Kann ich nicht beurteilen, ich weiß nicht in welche Planungen er noch involviert war. Der Ort an dem er sich aufgehalten hat, lässt es sicherlich zu, mehr Fäden in der Hand zu halten, als man ursprünglich geglaubt haben könnte. Zumindest ist das meine zugegebenermaßen verblüffende Einschätzung, denn ich hatte es wirklich nicht auf dem Zettel, dass er sich in einem Wohngebiet aufhält. Telefon, Computer und Internet wird also nicht das Problem gewesen sein. Aber er hat sicherlich gewusst, dass die Suche nach ihm eines Tages Erfolg haben wird und wird wohl die operativen Lasten einer Planung auf mehrere Schultern verteilt haben. Vom Mastermind zur Medusa. Zumindest wäre das meine Vorgehensweise gewesen.

Ich denke, es wird erst mal weiter gehen wie bisher. Man wird uns Terroristen liefern, welche man unmittelbar vor einen Anschlag gerade noch aus den Verkehr gezogen hat. In Wirklichkeit wird wohl mehr als die Hälfte davon von Geheimdienstlern angeworben worden sein, um sie als Bauern auf dem Schachbrett der Politik später dann zu opfern, um die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung für Sicherungsmaßnahmen und deren Finanzierung zu erreichen. Dabei ist die Bedrohung auch so latent und sicherlich real vorhanden. Die Terroranschläge in England, Spanien, Agypten, Bali, Tunesien, der Türkei und dem Irak sind keine Fiktion. Wobei bei dem einen oder anderen Anschlag gut auch mal Regierungen beteiligt gewesen sein könnten. Wenn nicht die eigene, dann eine fremde. Wie dem auch sei, viele Menschen sind dort einem Blutrausch zum Opfer gefallen. Die Sicherheitslage in den meisten der eben genannten Länder ist auch eine andere. Mal abgesehen von Spanien und England dürfte es in den restlichen Ländern wesentlich einfacher sein im Verdeckten zu agieren und sich unauffälliger mit den nötigen Materialien zu versorgen. Die betroffenen Menschen werden sicherlich nicht zustimmen, bei der Behauptung »die Welt sei sicherer«. Das war sie ohne Saddam Hussein nicht, wird sie ohne Gaddafi und auch ohne Osama bin Laden nicht sein.

Halte ich einen Terroranschlag wie am 11. September weiterhin für möglich? Absolut, vielleicht nicht dieses Jahr, möglicherweise auch nicht in dieser Dekade aber in den nächsten 20 bis 30 Jahren definitiv. Ich glaube nicht an die Effektivität unserer Geheimdienste, dafür sind ihnen schon zu viele peinliche Pannen passiert, sondern ich glaube schlicht und einfach, dass etwas wirklich großes bislang nicht auf der Agenda von Al-Qaida stand. Wenn man etwas wirklich großes verhindert hätte, hätte man uns es sicherlich gesagt. Genauso wie man jetzt fast schon angeberisch mit der Ermordung Osama bin Ladens prahlt. Sie hätten tun sollen, was sie nicht lassen können aber sie hätten die Klappe halten sollen, dann stünden wir jetzt nicht an einer Kreuzung, von der niemand weiß wohin die Wege führen…

pronto 2011/05/05 23:07

archiv/they_got_him.txt (1264 views) · Zuletzt geändert: 2011/06/03 21:00 von wikisysop
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